Vortrag: Freiheit, Unfreiheit, Befreiung. Überlegungen zur Vielschichtigkeit des Freiheitsbegriffs - Studium generale Ringvorlesung "Freiheit verstehen"
Solange Freiheit nur als Abwesenheit von Einschränkungen verstanden wird, scheint es sich um einen ganz einfachen Begriff zu handeln: Freiheit ist das, was übrigbleibt, wenn Fesseln im wörtlichen oder übertragenen Sinn abgeworfen werden. Doch die Erfahrungen mit Freiheit sind ganz andere. Die Wegnahme von Fesseln führt nicht notwendigerweise zu weniger Unterdrückung und Zwang. Freiheitsgewinne können schnell in Zwänge anderer Art umschlagen, die leicht noch umfassender ausfallen, als es die ursprünglichen Fesseln waren. In der Vorlesung werden Ambivalenzen dieser Art vorgestellt und Versuche erläuterter, einen Freiheitsbegriff zu entwickeln, der ihnen angemessen ist. Freiheit, so wird sich dabei zeigen, muss als ein vielschichtiger Begriff verstanden werden. So verstanden, kann Freiheit uns aber viel über die menschliche Fähigkeit sagen, die Bedingungen des eigenen Lebens selbst zu gestalten.
Christian Schmidt ist Privatdozent für Philosophie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Social Critique an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine philosophischen Interessen liegen im Bereich der Sozial-, Rechts- und Geschichtsphilosophie mit historischen Schwerpunkten bei Hegel und der hegelianischen Linken (insbesondere Marx und der Marxismus), den Autoren der Kritischen Theorie sowie bei Heidegger, Foucault und der französischen Philosophie des 20. Jahrhunderts.
Zur Ringvorlesung: Freiheit verstehen. Herausforderungen und Perspektiven in einer liberalen Gesellschaft
Freiheit gehört zu den konstituierenden Werten der liberalen Gesellschaft. Das Versprechen, diese Freiheit für jede Bürgerin und jeden Bürger zu garantieren und zu wahren, gehört zum demokratischen Selbstverständnis. Immer wieder und immer häufiger hört man aber, „der Staat“ würde die Freiheiten des Bürgers beschneiden: Die zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen erlassenen Gesetze und Verordnungen mutieren in den Reden der Populisten zu Zwangsmaßnahmen, die den grundrechtlich garantierten Freiheiten zuwiderliefen. Was ist das also für eine Freiheit, die hierzulande oft mit dem Begriff Wohlstand daherkommt?
Offenbar handelt es sich dabei meist um ein sehr individuelles Verständnis von Freiheit, das lediglich ein Freisein von Beschränkungen und Hindernissen meint. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht um einen stark verkürzten Begriff von Freiheit handelt, der nur auf den ersten Halbsatz von Artikel 2 des Grundgesetzes zielt, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. In einer Gesellschaft ist eine solche Freiheit aber zwingend nur mit einer Einschränkung denkbar: Sie endet, wo die Rechte anderer verletzt werden. Der Begriff Freiheit bedeutet also sehr viel mehr als individuelle Handlungsfreiheit. Er geht einher mit Verantwortung, mit Rechten und Pflichten, und letztendlich ist Freiheit abhängig von einem Gemeinwesen, in das ein Individuum eingefügt ist.
Im Wissenschaftsjahr 2024, das der Freiheit gewidmet ist, wollen wir uns über politische, soziale und ökonomische Themen dem Begriff der Freiheit nähern, wobei zunächst wirkmächtige Konzepte von Freiheit grundlegend vorgestellt werden sollen. Im Anschluss daran soll Freiheit jeweils erörtert werden im Hinblick auf ihr Spannungsverhältnis unter anderem zum Recht, zum Eigentum, zu Repräsentation und Teilhabe in der Gesellschaft, zur Identitätspolitik, zu Arbeit und Armut beziehungsweise Reichtum.
Veranstaltungsort
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) - Trefftz-Bau
04277 Leipzig